TKD-Teststrecke Ötztaler Radmarathon

Am 2. September stand mein letzter Wettkampf des Jahres 2018 auf dem Programm - der Ötztaler Radmarathon mit einer Länge von 230 Kilometern und stolzen 5.500 Höhenmetern. Es geht in einer schönen Rundstrecke beginnend in Sölden über Kühtai, Innsbruck, Brenner, Jaufenpass und Timmelsjoch zurück zum Ausgangspunkt. Ich checkte täglich in der Woche davor die Wettervorhersage für den Sonntag. Bei Schlechtwetter würde ich nicht starten bzw. mir die weite Anreise von Wien nach Sölden sparen. Die Vorhersagen waren sehr unterschiedlich und erst am Samstag in der Früh beschloss ich, doch hin zu kommen und absolvierte eine lange anstrengende Autofahrt (massiv Regen, Stau) nach Sölden, wo ich grad noch rechtzeitig zur Abholung meines Startpakets kam. Die Meteorologing bei der Fahrerbesprechung versprach "kein Schnee am Timmelsjoch" und ansonsten eher gutes Wetter mit Gewitterfronten. Ich stand also am Sonntag ab 06:30 Uhr im über 4.000 Menschen großen Starterfeld und kam ca. 10 Minuten nach dem offiziellen Startschuss um 06:45 über die Startlinie. Dieses Rennen wollte ich dafür nutzen, um meinen Blutzucker-Verlauf im Zuge einer sog. "Targeted Ketogenic Diet - TKD", also beim Einsatz "strategischer" Kohlenhydrate - diesmal in hoher Dosierung - zu tracken.
Dafür hat mir der Internist, Endokrinologe sowie Diabetologe Dr. Müller-Korbsch, ein Spezialist für CGM-Systeme, ein solches Gerät (Dexcom G5) zur Verfügung gestellt, das den Zucker kontinuierlich in der Gewebsflüssigkeit misst und alle 5 Minuten aufzeichnet. Als Ergebnis erhoffte ich mir eine Auswertung, in der die Kennzahlen Blutzucker (BZ), Watt-Leistung und Herzfrequenz während der Dauer des Rennens dargestellt und analysierbar werden. Bis auf wenige kurze Aussetzer, die der extremen Kälte (unter 5°) auf Jaufenpass und Timmelsjoch geschuldet waren, hat die BZ-Messung wirklich gut funktioniert. Das tolle an diesem Gerät ist, dass es auch permanent per Bluetooth die Daten an das Messgerät oder Smartphone sendet - nicht so wie das ähnliche Freestyle Libre Mess-System, wo nach einem Zeitraum von 8 Stunden ohne aktive Abholung der Daten vom Sensor, diese verloren gehen. Außerdem kommt mir die Messung des Dexcom genauer vor, allerdings muss man tgl. ein bis zwei BZ-Messungen an der Fingerspitze vornehmen, die zur Kalibrierung und zum "Lernen" des Geräts notwendig sind.Die Watt-Messung mache ich mit den Garmin Vector 2 Pedalen und zeichne auf einem Garmin Edge 1030 auf.


Hier kommt der nicht insulin-abhängige GLUT4 Glukosetransporter-Pool ins Spiel der durch Muskelkontraktion getriggert wird (ich habe an anderer Stelle schon darüber geschrieben). Die Strategie besteht darin, ca. 15-30 Minuten (abhängig vom Produkt) vor einer intensiven Belastung, schnell verfügbare Kohlenhydrate zu essen oder zu trinken, die dann rechtzeitig zusätzliche Energie bei dieser hohen Belastung bringen. Der Blutzucker würde auch ohne externe Glukose steigen, da der Körper merkt, dass er bei diesem hohen Intensitätsniveau nicht mehr mit Fett als alleinige Energiequelle auskommt und die Gluconeogenese in Gang setzt, die aus Eiweiß und bei entsprechender Keto-Adaptionszeit auch aus bestimmten Fett-Molekülen die notwendige Glukose erzeugt. Dieser Prozess ist aber nicht so schnell, wie die zusätzliche Energie benötigt würde und man spürt das "Brennen" in den Muskeln, wenn diese nicht ausreichend versorgt sind. Wenn der Körper also sowieso Glukose produzieren will, warum ihm dann nicht einfach mit TKD helfen?
Nach vielen Blutzucker und Keton-Messungen im abgelaufenen Jahr, in dem ich für mein Intervall-Training mit TKD begonnen habe, war ich mir schon recht sicher, dass TKD "ungefährlich" für den Zustand der Ketose ist, denn alle Messungen zeigten ein paar Stunden nach dem Sport die für Keto normalen Blutzucker- und Keton-Werte. Und jetzt nach diesem Test, wo die intensiven Bergauffahrten (200-240 Watt) sehr lange dauerten und ich in Summe über den Tag verteilt über 500g Kohlenhydrate zu mir nahm, lagen die Werte bei anschließenden Keton-Messungen am Abend nach dem Rennen und am nächsten Morgen und Tag zwischen 1 bis 3 mmol/L, was ganz normal ist. Auch mein Blutzucker war in den Stunden und Tagen nach dem Rennen mit 90 bis 100 mg/dl wieder auf meinem für einen Typ1/LADA Diabetiker "super normalen" Niveau! In der Vorbereitung der TKD-Strategie für das Rennen hatte ich wohl noch ein bisschen Bammel wegen dieser 500g KH - ist das doch die Ration, die ich sonst in ca. 20 Tagen esse ...
Messwerte und Analyse

Der Verlauf der Blutzucker-Kurve steht in entgegengesetzter Abhängigkeit zur Leistungskurve. Es ist gut zu erkennen, dass der Blutzucker bei hoher Leistung kontinuierlich abgebaut und zur Energiegewinnung verwendet wird. Sinkt die Intensität über längere Zeit - z.B. bei den Bergabfahrten - steigt der Blutzucker wieder an, weil ich einerseits auch bei den Abschnitten vor dem nächsten Berg weiter meine KH zuführte und andererseits weil die Kohlehydrate in der Trinkflasche (Winforce CarboBasic) zu einem Teil aus Kartoffelstärke bestehen, die langsamer verstoffwechselt werden und somit kontinuierlich über über einen längeren Zeitraum Glukose ins Blut abgeben. Die Winforce Ultra Energy Gels, die ich verwende, wirken rascher und deshalb ist bei etwas leichterer Intensität wie am Kühtai und Brenner ein BZ-Anstieg nach dem Verzehr erkennbar. Bei den Auffahrten auf Jaufenpass und Timmelsjoch - mit bis zu 2,5 Stunden durchgehender Leistung von ca. 220-240 Watt - sind Spitzen bei den etlichen Gels nicht sichtbar. Dabei wurde alles was im Blut an Glukose vorhanden war, gut verbraucht. Auf der Passhöhe des Timmelsjochs habe ich mit der KH-Versorgung aufgehört und man kann gut erkennen, wie die restlichen KH aus der Kartoffelstärke noch weiter ins Blut abgegeben werden. Die Höchstwerte an BZ lagen den gesamten Tag nicht höher als bei 150 mg/dl, und das nur für kurze Zeit - also keine Gefahr für einen Diabetiker!
Interessant finde ich die hohen Blutzucker-Werte am Anfang des Rennes, da ich davor keine KH gegessen habe. Das dürfte wohl der extremen Anspannung vor dem Rennen geschuldet sein, wodurch das viele Stress-Cortisol den Blutzucker ebenfalls ansteigen lässt. Diese Reaktion bemerkte ich in der Vergangenheit auch schon bei anderen Rennen vor dem Start. Ich glaub, ich darf diese Wettkämpfe nicht so ernst nehmen ...
Vergleich mit dem Ötztaler 2016

Da ist was weiter gegangen - bergauf! Ich schreibe natürlich nicht die gesamte Leistungssteigerung den strategischen Kohlenhydraten zu, weil ich in diesem Jahr wirklich sehr viel und gut trainiert habe. Ich denke aber, dass TKD durchaus seinen Anteil an dieser starken Verbesserung bei den Bergauffahrten beigetragen hat.
Die ersten beiden Berge Kühtai und Brenner bin ich in etwa gleich schnell wie 2016 gefahren, hier wäre heuer sicher noch mehr drinnen gewesen, ich wollte aber nicht vorzeitig "Körner verschießen"! Am Jaufenpass war ich fast eine Viertelstunde schneller und habe viele Plätze gut gemacht, ebenso am Timmelsjoch, der als letzter Berg gleichzeitig der anstrengenste und längste ist. Hier war ich 37 Minuten schneller als vor 2 Jahren und hab mich trotzdem sehr gut gefühlt. Die Gesamtzeit mit 11:33 ist nicht berauschend, aber das dauernde An/Ausziehen wegen des Wetters und die sehr langsamen Abfahrten brauchten ihre Zeit. Aber auch der Sieger meiner Altersklasse hat ein bisserl länger gebraucht ... . Ich bin mit den Einzelergebnissen der Auffahrten extrem zufrieden - war ich doch beim Timmelsjoch mit einer Zeit von knapp 2,5h sehr weit vorn in meiner Altersklasse.

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